Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha weitet sich aus - bislang zehn Tote
Der wiederentbrannte Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha hat sich ausgeweitet. Den Behörden der beiden südostasiatischen Länder zufolge stieg die Zahl der bisherigen Todesopfer am Dienstag auf zehn. Fast 150.000 Zivilisten flohen vor den Kampfhandlungen. Kambodschas einflussreicher früherer Regierungschef Hun Sen erklärte, sein Land wehre sich nun gegen Thailand. Bangkok und Phnom Penh beschuldigen sich gegenseitig, die Angriffe am Sonntagabend wieder aufgenommen zu haben.
Die thailändische Armee erklärte, seit Montag seien drei Soldaten getötet worden. Am Dienstag sei ein Soldat indirektem Beschuss in der Provinz Surin zum Opfer gefallen. Ein weiterer sei von einer Granate in dem Gebiet um den Tempel Preah Vihear getötet worden. Etwa 30 weitere Soldaten seien seit der Wiederaufnahme der Kampfhandlungen verletzt worden.
Auf kambodschanischer Seite waren nach Angaben des Innenministeriums des Landes bislang sieben getötete Zivilisten zu beklagen. Zwei von ihnen seien in der Nacht zu Dienstag auf einer nationalen Straße durch thailändischen Beschuss getötet worden. Etwa 20 weitere Menschen seien verletzt worden.
Zugleich wuchs die Zahl der Vertriebenen auf beiden Seite. Dem kambodschanischen Innenministerium zufolge wurden mehr als 21.000 Menschen aus drei Grenzprovinzen vertrieben. Die thailändische Regierung sprach von mehr als 125.000 evakuierten Zivilisten, die in fast 500 Not-Unterkünften in mehreren Grenzprovinzen Zuflucht gefunden hätten.
Der Konflikt weitete sich nach thailändischen Angaben auf die umstrittene Küstenprovinz Trat im Süden Thailands aus. Hier hätten thailändische Streitkräfte kürzlich kambodschanische Truppen, Niederlassungen und mehrere Waffenlager ausfindig gemacht, sagte der Sprecher der thailändischen Marine, Parat Rattanachaiphan, bei einer Pressekonferenz. Am frühen Dienstagmorgen hätten die thailändischen Streitkräfte "einen Militäreinsatz begonnen, um sie hinauszujagen". Parat warf Phnom Penh vor, den Konflikt durch den Einsatz von Drohnen zur Provokation thailändischer Truppen zu eskalieren.
Thailands Regierungschef Anutin Charnvirakul erklärte, die Armee des Landes werde entschlossen bleiben. "Thailand muss fest hinter denen stehen, die unsere Souveränität schützen", sagte er vor Journalisten. "Wir können jetzt nicht aufhören."
Kambodschas Senatspräsident und einflussreicher früherer Regierungschef Hun Sen erklärte unterdessen, sein Land habe begonnen, sich gegen Thailand zu wehren. Zuvor hatte Phnom Penh bestritten, zurückgeschossen zu haben. "Nachdem wir mehr als 24 Stunden lang geduldig waren, um die Waffenruhe zu respektieren und um Zeit für die Evakuierung der Menschen in Sicherheit zu haben, haben wir gestern Abend und heute Morgen mit weiteren (Reaktionen) zurückgeschlagen", erklärte er am Dienstag im Onlinedienst Facebook. "Nun kämpfen wir, um uns selbst wieder zu verteidigen."
Erst Ende Oktober hatten die beiden südostasiatischen Nachbarländer unter Vermittlung der USA ein Friedensabkommen unterzeichnet, das einen langfristigen Frieden sichern sollte. Thailand setzte die Umsetzung des Friedensabkommens vor knapp einen Monat jedoch aus, nachdem laut Armee zwei thailändische Soldaten durch die Explosion einer Landmine nahe der Grenze verletzt worden waren.
Im Juli waren bei fünftägigen Gefechten auf beiden Seiten mindestens 43 Menschen getötet und 300.000 weitere vertrieben worden. Die Gefechte markierten eine erneute Eskalation in dem seit Jahrzehnten andauernden Streit um die Grenzziehung im sogenannten Smaragd-Dreieck, wo die thailändische Provinz Surin und die kambodschanische Provinz Oddar Meanchey sowie Laos aneinander grenzen. Hintergrund des Konflikts ist eine unklare Grenzziehung aus der Kolonialzeit.
B.Bernard--PS